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Schuljahr 2022-2023


„Die Freunde, die ich hier gefunden habe, sind auch meine Familie“

Die 22jährige Studentin hat am Johanneum Gymnasium ihr Abitur gemacht. Auf Einladung ihres ehemaligen Tutors Benjamin Debus kam sie nochmal an ihre „alte“ Schule, um in der 8. Jahrgangsstufe im Rahmen des Fachs Politik und Wirtschaft die Schülerinnen und Schülern an ihren außergewöhnlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit ihrer Flucht aus Eritrea teilhaben zu lassen.

Adiam Kifle wurde in Asmara geboren und ist dort zu Schule gegangen. Das dortige Schulsystem ist sehr einseitig und geprägt von der propagandistischen Grundhaltung des autoritären Einparteiensystems. Differenzierten Politik-Unterricht, der andere Staaten und demokratische Regierungsformen zum Thema macht, gibt es nicht. Bereits im Jugendalter werden die jungen Menschen zum Militärdienst eingezogen. Das Militär in Eritrea nimmt eine große Rolle ein: Sowohl Männer als auch Frauen müssen einen unbefristeten Wehrdienst leisten, der laut Amnesty International einer Zwangsarbeit gleichkommt. Es gibt keine Religions-, Presse- und Meinungsfreiheit.

Als Adiam 15 Jahre alt wird, fällt sie gemeinsam mit ihrer Familie die Entscheidung zur Flucht, um dem Leben in einer Diktatur zu entkommen.

Alles muss schnell gehen und absolut geheim ablaufen. Langfristige Planungen könnten zur Folge haben, dass sie in falsche Hände geraten und eine Inhaftierung zur Folge hätten. Im Bericht des EASO (European Asylum Support Office) von 2015 werden die unmenschlichen Haftbedingungen in den mindestens 37 teils geheimen, teils offiziellen Internierungslagern und Militärgefängnissen dargestellt. Es kommt zu Folter, sexuellem Missbrauch und Gewalt. Um diesem Schicksal zu entkommen, das bei Militärdienstverweigerung droht, fliehen viele junge Menschen nach Europa.

Adiam Kifle ist eine von ihnen. Nach zwei Monaten völlig auf sich allein gestellt auf der lebensgefährlichen Flucht über den Sudan, Libyen und Italien kommt die damalige Teenagerin in Beilstein an, ihrem neuen Zuhause. Nachdem die Sprache und der Umgang dem jungen Mädchen zunächst so fremd sind, ist es der Schulbesuch, der ihr wieder ein Gefühl von Heimat vermittelt. Denn hier findet sie Freundinnen, die ihr schnell das Gefühl geben, in Deutschland willkommen zu sein. Auch die Bildungsvielfalt, die sie in Eritrea so vermisst hat, steht ihr nun offen und sie lernt schnell und durch Unterstützung ihres sozialen Umfelds, auch mit den gymnasialen Anforderungen zurechtzukommen. Nachdem Adiam noch zurückhaltend über die politische Situation ihrer ersten Heimat und ihre Flucht berichtet hat, huscht bei den Bildern, die sie lebensfroh inmitten ihrer Freundinnen und Freunde zeigt, mehr und mehr ein Lächeln über ihr Gesicht.

Die Schülerinnen und Schüler lauschen aufmerksam den Erzählungen der Studentin, sind sie doch so jung wie sie, als Adiam Kifle die schwere Entscheidung treffen musste, ihre Familie zu verlassen. Ob sie ihre Familie oft vermisse, will eine Schülerin in der Fragerunde nach dem Vortrag wissen. „Natürlich vermisse ich meine Familie, aber meine Eltern und ich würden noch mehr leiden, wenn ich in Eritrea geblieben wäre. Dort gibt es für junge Menschen keine Zukunft in Freiheit.“

 

 

Adiam Kifle und ihr ehemaliger Tutor Benjamin Debus

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