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Schuljahr 2021 - 2022


Würdest du lieber gegen eine pferdegroße Ente oder zehn entengroße Pferde im Kampf antreten? Das ist hier die Frage.

Sara Sommerfeld und Luise Renner berichten über ihre Erfahrungen bei der hessischen Schülerakademie:

Wer stellt dir solche Fragen? Die hessische Schülerakademie - davon haben wir das erste Mal per Mail von unserer Lehrerin erfahren. Ein Programm, bei dem motivierte und fachinteressierte Schüler:innen aus ganz Hessen auf der Burg Fürsteneck (Nähe Fulda) zusammentreffen und gemeinsam ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten ausbauen. Dies wird von Professor:innen, Student:innen und der Goethe Universität in Frankfurt begleitet. Uns hat vor allem angesprochen, dass man dort in den jeweiligen Fachkursen lernt, wissenschaftlich zu arbeiten, denn dieses Angebot soll eine Brücke zwischen Schule und Hochschule darstellen. Die Weiterbildung geschieht allerdings nicht durch Frontalunterricht oder Vorträge, sondern man erarbeitet Thematiken selbst und wird zum Lehrenden. Dabei bereiten sich die Teilnehmenden vor den zwei Wochen Akademiezeit (eine digitale Woche und eine Präsenzwoche) darauf vor, den anderen in ihrem Kurs das Gelernte durch eine Präsentation zu vermitteln. Die hessische Schülerakademie haben wir als eine Herausforderung angesehen, gleichzeitig aber auch als eine Möglichkeit, neue Menschen kennenzulernen, die womöglich die eigenen Interessen teilen.

Aber damit ihr, liebe Leser:innen, besser versteht, wie es dort war, hier ein kleiner Einblick in den Tagesablauf: Vormittags hatten wir für dreieinhalb Stunden unsere Fachkurse, für die Mathematik, Physik, Philosophie, Geschichte und Musik zur Auswahl standen. Nachmittags fanden die musisch-kulturellen Wahlkurse statt und wir konnten uns zwischen Fotografie, Lederarbeiten, Improtheater, Elektronische Musik, Instrumentalmusik und Poetry entscheiden. Abends gab es dann die sogenannte „Freie Projektzeit“, in der jeder, der wollte, ein eigenes Projekt anbieten konnte. Von Debattieren über Waldspaziergang bis hin zu Walzer war alles dabei. Viel Freizeit blieb einem am Ende nicht wirklich.

 

Luise Renner (Mathematikkurs und Lederarbeiten):

,,Ich mag Mathe''. Ich bin bei diesem Satz schon oft auf Unverständnis gestoßen und war mir sicher, dass das im Mathefachkurs der Akademie wohl absolut nicht der Fall sein würde. Damit hatte ich recht, nur hatte ich nicht damit gerechnet, dass der Satz bei den anderen wohl eher ,,Ich liebe Mathe über alles!'' lauten würde.

Zum ersten Mal wurde mir das bei einem Kennenlernpicknick meines Kurses bewusst. Diese Erfahrung lässt sich inwiefolgt sehr gut in wenigen Zitaten beschreiben: ,,Uuhh, und was ist deine Lieblingsformel?“, ,,Ja, ich mache auch ein Mathestudium neben der Schule“ und ,,Ich habe Übungsblätter mitgebracht!'“. Ich ging eingeschüchtert aus dem Treffen heraus. Auch zu Hause musste ich mich bei der Einarbeitung in mein Thema (Fermats letzter Satz, Abc-Vermutung) wirklich durchbeißen, denn ich musste mir erst das Lesen von mathematischen Skripten, neue Rechentechniken und das Arbeiten mit den Programm Latex aneignen.

Die erste (digitale) Woche gestaltete sich als Aneinanderreihung von Hochs und Tiefs - ein fliegender Wechsel zwischen Forderung und Überforderung - was mich sehr frustrierte. Ich war dies nicht gewohnt und mein eigener Leistungsdruck machte mir zu schaffen.

Die zweite Woche fand dann in Präsenz auf der Burg statt und übertraf die erste um Längen. In Mathe kam ich jetzt gut mit, aber noch ausschlaggebender waren die Menschen, die ich kennenlernte.

Meistens wurde der Abend mit Wein und Gesprächsthemen wie Politik, das Patriarchat oder die großen Philosophen der Weltgeschichte verbracht und nur zwei Stunden Schlaf mussten dann eben in Kauf genommen werden, denn morgens ging es gleich los mit Mathe. Nachmittags besuchte ich meinen Wahlkurs ,,Lederarbeiten" und bin nun stolze Besitzerin eines handgemachten (und tragbaren!) Gürtels.

 

Sara Sommerfeld (Musikkurs und Poetrykurs):

„Klang und Macht“ - das war das Thema unseres Musikkurses. Obwohl ich bereits Musik abgewählt habe, hat mir dieser Kurs gezeigt, wie spannend doch Musik sein kann. Die Verbindung von Politik und Musik war mir vorher gar nicht so bewusst. Auch ich musste als Vorbereitung eine Menge wissenschaftlicher Texte lesen und mich mit einem mir bis dahin unbekanntem Thema auseinandersetzen. Die Themen wurden von einem Team aus Studierenden und Schüler:innen erarbeitet. Ich habe mich intensiver mit Jazz im Nationalsozialismus beschäftigt und so die Dinge, die ich bereits aus dem Geschichtsunterricht kannte, mit dem Thema Musik verknüpft. Bei unserem ersten Treffen haben wir jede Menge lustiger  Kennenlernspiele gespielt. Dennoch gestaltete sich auch bei mir die erste „digitale“ Woche deutlich schwieriger. Internetprobleme, Distanz zu den anderen Kursteilnehmer:innen und die lange Dauer der Videokonferenzen haben das ganze erschwert. Dafür war aber die Zeit auf der Burg umso besser. Man hat dort die Menschen, die man sonst nur aus dem Bildschirm kannte, näher kennengelernt und viele schöne Stunden miteinander verbracht. Da wir dort auch alle in Präsenz waren, konnten wir auch zusammen musizieren. Nachmittags hatte ich meinen Wahlkurs Poetry. In diesem Kurs haben wir unserer Kreativität freien Lauf gelassen und selbst Gedichte und andere poetische Texte verfasst. Mein Highlight des Kurses war eine Übung zum Vortragen. Bei dieser sollten wir unsere Texte wütend und besonders laut vorlesen. Wir haben die Übung im Freien gemacht und uns dann darüber amüsiert, dass die in der Nähe stehende telefonierende Radfahrerin, sich mit jedem weiteren Text immer weiter entfernte.

Unser gemeinsames Highlight waren aber definitiv die weltoffenen und inspirierenden Menschen. Dadurch herrschte eine Atmosphäre vor, in der wir uns wirklich sehr wohl fühlten. Auch die Betreuenden begegneten einem in der vorherrschenden ,,Duzkultur“ auf Augenhöhe und man verbrachte auch die Freizeit gerne zusammen. Uns alle verband das Interesse Neues zu lernen, was nicht nur in den Kursen, sondern auch in vielen einzigartigen Gesprächen der Fall war. Man konnte Bekanntschaft mit Leuten machen, die man nicht alle Tage auf der Straße trifft. Jeder besaß so individuelle Persönlichkeiten oder auch Geschichten und es machte unglaublich Spaß, diesen zu lauschen. Auch die Diskussionen brachten einen weiter, aufgrund der immer sehr fundierten Argumentationen. Selbst wenn unterschiedliche Meinungen aufeinander trafen, behandelte man sich gegenseitig respektvoll. Toleranz und politische Korrektheit wurde in jeder Hinsicht groß geschrieben. 

Man konnte nicht nur gut miteinander reden, sondern auch tanzen und fand sich eigentlich jeden Abend auf dem Burghof zum Kontratanzen wieder. Man könnte meinen, britischer Gruppentanz aus dem 16. Jahrhundert und Amüsement haben nicht so viel miteinander zu tun. Wir können dazu nur sagen: Man irrt sich gewaltig. Einfach mal ausprobieren!

 

Insgesamt war es wirklich eine tolle Zeit, in der man sowohl Spaß haben konnte als auch viel Neues gelernt hat.  Dabei muss einem allerdings klar sein, dass man bereit sein sollte, viel Zeit zu investieren und auch Vor- und Nachbereitung nötig sind. Der Lernprozess beinhaltet nicht nur stumpfes Einlesen in seine Themen, sondern vielmehr den Umgang mit wissenschaftlichen Fachtexten oder auch sein Wissen anderen in Präsentationen zu vermitteln. Außerdem war der Besuch der Akademie auch eine persöniche Bereicherung, da man sah, was möglich sein kann, wenn man sein Potential in dieser Gemeinschaft wirklich voll ausschöpft. Es muss dazu allerdings auch gesagt werden, dass man diese Zusammenkunft äußerlich betrachtet wohl auch als etwas elitär beschreiben könnte. Die Akademie sucht nicht nach Menschen, die einen besonders guten Notenschnitt haben, sondern möchte wissbegierige und talentierte Schüler:innen individuell fördern, was unser heutiges Bildungssystem nicht immer zu leisten vermag. Deshalb kommen wir zu dem Schluss, dass es sich gelohnt hat und es definitiv auch weiterzuempfehlen ist. Also wenn dein Interesse geweckt wurde und du Spaß daran hättest, dich weiterzubilden, dann sehen wir uns vielleicht nächstes Jahr auf der Burg!

 

Sara Sommerfeld und Luise Renner

 

Herborner Tageblatt vom 07.02.2022

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